Motive:

Wenn wir wollen, dass ein zusammengewachsenes Europa neben der Öffnung der Märkte auch die kulturelle und soziale Entgrenzung der Menschen unterschiedlicher Nationalitäten meint, sollten wir uns dieser Frage im direkten Austausch mit anderen stellen.

Durch die Zusammenarbeit mit unseren wichtigsten Nachbarn Frankreich und Polen, sehen wir unser Projekt bewusst in der Tradition des "Weimarer Dreiecks", dessen Gründervater Genscher schon 1991 betonte, "dass dieses Europa mehr ist als eine Wirtschaftsgemeinschaft, dass das, was uns verbindet, die eine gemeinsame europäische Kultur ist, zu der alle Völker Europas Grosses beigetragen haben".

Die Kenntnis und Bedeutung dieser Beiträge zu verbreitern und einige davon mittels theatralischer Arbeit zu erforschen und auszutauschen, ist der Ursprungsgedanke des vorliegenden Projektes.

Im Zuge der aktuellen europäischen "Währungskrise" wird beispielsweise oft von der nötigen wirtschaftlichen und politischen „Reife“ der Mitgliedsstaaten – siehe Griechenland – gesprochen. Doch wer bestimmt und verantwortet dieses Maß?

Allein die zurückliegenden Schwierigkeiten auf dem Weg zu einer einheitlichen europäischen Währung sowie die aktuellen Diskussionen um die Notwendigkeit einer gemeinsamen Wirtschafts-und Sozialgesetzgebung machen deutlich, wie wichtig die INTEGRATION gewachsener kultureller Identitäten bei diesem Prozeß ist. Denn der Einigungsprozeß Europas (ebenso wie der der Deutschen) bewegt sich nicht auf einer stetig ansteigenden Kurve wie in der Entwicklung des Individuums. Auch kann er nicht nur durch absolute, wirtschaftliche Zahlenwerte ausgedrückt werden; sondern gehorcht komplizierteren, innerkulturellen Gesetzen. Diese zu ignorieren, bedeutet unseres Erachtens die Gefährdung einer bürgerlichen Grundhaltung, die für den zukünftigen Zusammenhalt Europas von existenzieller Bedeutung sein dürfte: Die der SOLIDARITÄT.

Einer der frühen journalistischen Begleiter des Euro-Projekts, der SPIEGEL-Herausgeber Rudolf Augstein, wies schon früh auf die Problematik hin, durch rein wirtschaftpolitische Maßnahmen die Mentalität von Menschen ändern zu wollen. "Die PSYCHOLOGIE VON NATIONEN kann nicht außer Acht bleiben, da hilft kein Befehl", schrieb er.

Für eine Weiterentwicklung des innergesellschaftlichen Solidarbegriffes über Sprachräume und Kulturgrenzen hinweg einzutreten, ist ein Hauptanliegen unseres Projektes. Wir als Deutsche sehen hierin eine besondere europäische Verpflichtung – gerade in Erinnerung an den wechselvollen Kampf um die Anerkennung des sogenannten innerdeutschen "Solidarzuschlags" – einer notwendigen Folge der Wiedervereinigung.

Hier konnten wir aus eigener Anschauung lernen, daß die Bereitschaft zur „wirtschaftlichen Solidarität“ erst in dem Maß anwuchs, in dem die Menschen aus Ost-und Westdeutschland begannen, sich über ihre unterschiedlichen soziokulturellen und politischen Wurzeln auszutauschen.

Christian Suhr

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